Auf realen Begebenheiten

Soy Nero
Rafi Pitts
Mexico
117′
Nichts vermag den jungen Mexikaner Nero von seinem Traum abbringen, US-amerikanischer Staatsbürger zu werden. Er folgt den Spuren des älteren Bruders, die ihn nach LA führen, in eine Villa des American Dreams. Um eine Green Card zu bekommen, meldet er sich freiwillig zum Militärdienst. Und schon findet Nero sich in einer Wüstenlandschaft der Kriegsgebiete im Mittleren Osten wieder. Ein packender Film über Grenzen und einen, der um sein Leben rennt. José Antonio Gutiérrez war der erste Soldat, der im zweiten Krieg der USA gegen den Irak starb. Der Strassenbub aus Guatemala hatte eine beschwerliche Reise auf sich genommen, um in die USA zu gelangen, wo er sich bei der Army meldete, um US-Bürger zu werden. Den Pass hat er posthum erhalten. Er hat sein Leben gegeben, um Bürger eines Landes zu werden, nicht, um es zu verteidigen. Die Geschichte von José Antonio Gutiérrez hat Rafi Pitts beschäftigt. Er hat aus verschiedenen Schicksalen eine fiktive Figur geschaffen, die des 19-jährigen Mexikaners Nero, der Grenzen überwindet, sich bei der US-Army meldet und dann Grenzen verteidigt. Rafi Pitts führt uns in seiner Geschichte von Nero Variationen von Grenzen vor Augen, innerhalb derer sich Menschen befinden, die Menschen überwinden möchten und die sie mitunter gefangenen machen. Der Film «Soy Nero» ist in vier Schau-Plätze gegliedert, die je für eine Phase im Leben von Nero stehen. Auf die Grenze zu den USA folgt die Freiheit in den USA, verkörpert durch einen Autofahrer, der mit seiner Tochter unterwegs ist, bewaffnet, ein Gefangener seiner Ängste. Der dritte Schauplatz ist eine Villa in Bevery Hills, wo die Dekadenz sich schön breit gemacht hat. Schliesslich das Abverdienen der Staatsbürgerschaft beim Bewachen einer unsichtbaren Linie in einer Wüste im Mittleren Osten. Rafi Pitts versteht es, Situationen zu inszenieren, in denen sich Verhaltens-muster zugespitzt zeigen. Hier verdichten sich die Fragen, die ihn beschäftigen, an jenem Grenzzaun in der Wüste. «Ich bin Nero», sagt der Held, aber er weiss weniger denn je, was das bedeutet. Mexikaner ist er nicht mehr. US-Bürger ist er noch nicht, aber er setzt sein Leben für die USA aufs Spiel. Am Ende des Tages ist Nero allein auf weiter Flur, er rennt einmal mehr, ist weiter auf der Flucht. © Walter Ruggle
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El abrazo de la serpiente - Der Schamane und die Schlange
Ciro Guerra
Kolumbien
124′
Zwei Forscher dringen ins Innerste des Amazonas vor: Der deutsche EthnologeTheodor Koch-Grunberg im Jahr 1909, der nordamerikanische Botaniker und Abenteurer Richard Evan Schultes im Jahr 1940. Begleitet werden beide vom gleichen Schamanen, der selber der einzige Überlebende eines ausgelöschten Stammes ist und sie je zum Ziel ihrer Wünsche fuhren soll: Sie suchen eine im Urwald verborgene Wunderpflanze. Absolut halluzinierend. Apocalypse Now am Amazonas. Der Kolumbianer Ciro Guerra hat schon in früheren Filmen sein erzählerisches Talent bewiesen; in diesem mutigen Epos setzt er einen Massstab im Umgang mit der Erzählung aus dem Amazonas. Zusehends wandeln sich in «El abrazo de la serpiente» die beiden realen historischen Handlungen zum zeitüberschreitenden spirituellen Abenteuer, zum bildgewaltigen psychedelischen Trip, wie man ihn seit «Apocalypse Now» von Francis Ford Coppola nicht mehr in dieser Intensität gesehen hat. Joseph Conrad lässt auch hier mit seinem Roman «Heart of Darkness» grussen, der Mekong dort, der Kongo da und nun dieser Amazonas. Packend, wie uns Guerra uber Mensch, Natur und die destruktive Macht des Kolonialismus nachdenken lässt, wie er die Rollen umkehrt, unvergesslich seine Tauchfahrt ins Innere des immensen Regenwalds. Erst ganz am Ende des sehr bewusst und in prächtigem Licht-Schattenspiel in Schwarzweiss gedrehten Films taucht er mit seiner Breitwand-Kamera, die von David Gallego präzis geführt wird und den Sog des Orts erfasst, auf aus dem Regenwald, in dem wir uns zwei Stunden lang bewegt haben, verschafft einen Überblick über die schiere Unendlichkeit des Amazonasbeckens und lässt uns aufatmen. Zumindest wir sind noch einmal davongekommen. Was für ein ausserordentlicher Sehgenuss. Walter Ruggle
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